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Im dm-Verteilzentrum in Weilerswist bei Köln wird Palettenware vollautomatisch in das Hochregal-Lager verräumt. Für die Kommissionierung werden Kartons maschinell depalettiert, aufgeschnitten und in die Kommissionierzone nachgeschoben. Diese und andere technische Lösungen machen das dm-Lager derzeit zu einem der modernsten Logistikzentren im Handel. Die Entwicklung geht jedoch weiter. Roboter werden künftig nicht nur Ab-, Auf- und Umladen, sondern auch autonom kommissionieren oder Inventuren durchführen.
Noch werden maschinelle Systeme hauptsächlich in der industriellen Produktion eingesetzt. Laut International Federation of Robotics (IFR) stieg der weltweite Absatz von Industrierobotern in 2017 um knapp 30 Prozent auf rund 381 000 Einheiten. «Aber auch in den Konsumgüter-Branchen wird die Entwicklung bereits in den kommenden drei Jahren ihr disruptives Potenzial entfalten», sagt Dr. Andreas Füßler, Leiter Trendforschung bei GS1 Germany in Köln. Disruptiv bedeutet: Die neuen, zunehmend mit Künstlicher Intelligenz ausgestatteten Lösungen werden bestehende Technologien ersetzen und verdrängen.
Roboter übernehmen das Feld
Solche intelligenten Systeme zeichnen sich dadurch aus, dass sie Muster und Musterabweichungen – ob bei Sprache, Prozessen oder Gegenständen – nicht nur erkennen. Auch können sie auf Abweichungen reagieren, selbstständig Rückschlüsse ziehen und ihre Reaktionen anpassen. Damit sind diese Systeme selbstlernend. Mit jedem einzelnen Vorgang werden neue Daten eingespeist, welche zukünftige Entscheidungen beeinflussen.
Als datengetriebene Lösung wird die KI ihre Stärken daher insbesondere am POS, in der Analyse der Kundenbeziehungen und im Aufbau individualisierter Kundenkommunikation entwickeln. Einfachstes, im Online-Handel längst realisiertes Beispiel: Aus der ständig wachsenden Zahl historischer Kaufdaten werden persönliche Profile und die passenden Angebote abgeleitet. Solche Warenkorb-Empfehlungen werden künftig durch Detail-Daten verfeinert – von Farbvorlieben bis zu Lebensmittelunverträglichkeiten. Ein ständiger Verbesserungsprozess: «Da Algorithmen in der Regel sehr schnell veralten, weil immer neue Informationen zur Verfügung stehen, greifen wir auf KI zurück, damit sie sich auf Basis neuer Daten selbstständig optimieren können», äussert Olaf Schlüter, Bereichsleiter E-Commerce bei Otto.
Gezielte Kaufempfehlungen
Das gilt auch für die direkte Kundenkommunikation. KI-basierte Systeme werden künftig an vielen Stellen Unterstützung bieten. Telefonische Kundenanfragen können, bis zu einem bestimmten Komplexitätsgrad, per Sprachcomputer beantwortet werden. Kameras am Eingang erfassen demographische Kundendaten und steuern auf dieser Basis die Instore-Werbung. Sie identifizieren Körpermerkmale und schlagen passende Bekleidung vor. In der Anprobe analysieren sie Mimik und Gestik, um im Zweifel alternative Mode zu offerieren.
«Noch sind diese KI-basierten Techniken nichts für Laien, doch die Anwendungsbreite und Benutzbarkeit der Werkzeuge steigt kontinuierlich», erklärt Dr. Dietrich Wettschereck, Head of AI («Artifizielle Intelligenz») bei der Technologieagentur tarent solutions GmbH. Auch die Verbraucher setzen noch Anwendungshürden: Nach heftigen öffentlichen Datenschutz-Diskussionen stellte zum Beispiel der SB-Warenhausbetreiber real seinen in 41 Märkten laufenden Versuch ein, über die Analyse von Blickkontakten die Attraktivität von Instore-Werbefilmchen zu eruieren.
Individuelle POS-Werbung
Datenschutz-Bedenken bei vielen Verbrauchern bremsen auch die Verbreitung von Voicebot-Anwendungen – also von Geräten, die über Algorithmen die menschliche Sprache verstehen. Dennoch nutzen laut Statista Global Consumer Survey 2018 (Umfragebasis: 2000 Internet-Nutzer) in Deutschland immerhin schon 5,9 Prozent der Befragten einen Amazon Echo. Google Home kommt auf einen Anteil von 1,2 Prozent. Unternehmen wie Media Markt, aber auch einige Food-Händler entwickeln erste Anwendungen für diese Dienste. Auch hier gilt: «Noch sind die KI-basierten Angebote recht begrenzt einsetzbar, es kommen jedoch täglich neue Einsatzgebiete hinzu», beobachtet Dr. Dietrich Wettschereck.
Auch aus Sicht von GS1-Experte Dr. Andreas Füßler «wird die technische Entwicklung von KI exponentiell verlaufen. Es ist also in den kommenden Jahren mit einer starken Zunahme von Marktlösungen zu rechnen.» Er empfiehlt den Handelsunternehmen daher, Wissen aufzubauen und Kommunikationsstrategien zu entwickeln, denn: «KI wird künftig jede Firma tangieren», so Füßler.