Die Verpackung macht’s

Donnerstag, 29. Februar 2024
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Über die Verpackung lassen sich Käufer binden und auch neue dazu gewinnen. Eingesetzt als Marketinginstrument ist sie ein ideales Werkzeug für den Abverkauf. Welche Verkaufskraft die Verpackung hat und wo die Grenzen liegen – darüber hat das Markant Magazin ONE mit Dr. Robert Kecskes gesprochen, Senior Insights Director Germany bei Consumer Panel Services GfK. 

Gut verpackt ist halb verkauft, stimmt das?
Dr. Robert Kecskes: Ein gut verpacktes Produkt hilft sehr beim Abverkauf. Es ist ähnlich wie bei Büchern. Viele Menschen, die im Buchladen stöbern, also noch nicht auf ein Buch festgelegt sind, entscheiden sich häufig für ein Buch mit ansprechendem Cover. So ist es auch bei Verpackungen am POS. Doch Bücher sind immer wieder neu, FMCG-Produkte haben eine Geschichte und Loyalitäten. Es ist daher nach etablierten Produkten und Marken sowie Neuprodukten und neuen 
Marken zu unterscheiden. Aber generell spielt die Verpackung bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle.
 
Was zeichnet eine erfolgreiche Verpackung aus? 
Dr. Robert Kecskes: Wir müssen die Verpackung zum einen nach ihrer Attraktivität am POS und zum anderen nach ihrer Nutzungsattraktivität zu Hause, also ihrer Funktionalität, betrachten. Eine erfolgreiche Verpackung zeichnet aus, dass sie Emotionen transportiert, eine Uniqueness hat, schnell im Regal gefunden wird und zu Hause gut handzuhaben ist. 
 
Die Verpackung hat viele verschiedene Funktionen wie etwa den Schutz des Inhalts. Welche Bedeutung hat die Verpackung aus Marketingsicht?
Dr. Robert Kecskes: Eine gute Verpackung erfüllt eben nicht nur die funktionalen Anforderungen. Sie muss zudem emotional die Zielgruppe ansprechen und inzwischen sollte sie zudem – und nicht stattdessen – gewissen Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen. Sie muss Lust auf das Produkt machen, sinnvoll und dabei einfach einzigartig sein, also eine hohe Wiedererkennung haben. Die Kunst der Verpackungsdesigner ist es, alle Komponenten zu vereinen – die POS-Komponente, die emotionalen Komponenten und die häusliche Verwendungskomponente. Das Marketing macht dann das gesamte Produkt als funktional-sinnliches Kunstwerk attraktiv.
 
Funktional oder emotional – welche Wirkung ist bei der Verpackung grösser?
Dr. Robert Kecskes: Das kann man nicht so pauschal sagen. Jedenfalls ist am POS die emotionale Wirkung grösser, zu Hause ist es die funktionale Wirkung. Die Kunst liegt darin, beides zu verbinden.
 
Können Sie das konkretisieren?
Dr. Robert Kecskes: Nehmen wir Produkte in Dosen oder auch Tiefkühlprodukte. Am POS muss die Verpackung auffallen, das Produktversprechen sofort erkenntlich sein und dann muss die Verpackung auch noch sinnlich Spass machen. Zu Hause kommt das Produkt schnell in die Tiefkühltruhe oder in das Regal, muss gut stapelbar sein und ist bis zur Nutzung nicht mehr zu sehen. Kommt es zur Nutzung zählt nur noch die Funktionalität. Lässt sich die Dose nur schwer öffnen, dann wird bei aller Sinnlichkeit und emotionaler Ansprache der Verpackung das Produkt nicht wieder gekauft, sofern von der Produktqualität Alternativen zur Verfügung stehen.  
 
Ist die Verpackung wichtiger als der Preis des Artikels?
Dr. Robert Kecskes: Generell gesehen mit Sicherheit nicht, allerdings treffen hier zwei unterschiedliche Dimensionen aufeinander. Die Verpackung dient neben der Produktqualität auch dazu, den Preis zu begründen. Zudem müssen wir zwischen Stammkäufern des Produktes und potenziellen Neukäufern unterscheiden. Neukäufer kennen das Produkt noch nicht, werden aber durch eine interessante Verpackung dazu animiert, das Produkt zu probieren und sind vielleicht auch bereit einen Premium-Preis zu bezahlen, weil die Verpackung eine hohe Wertigkeit vermittelt. Wenn allerdings das implizite oder explizite Produktversprechen nicht eingehalten wird, dann hilft die Verpackung auch nicht mehr hinsichtlich des Wiederkaufs. Dann muss entweder an der Qualität gearbeitet oder der Preis muss gesenkt werden, weil der Schein mehr als das Sein war.
 
Das Supermarktregal ist voll von Produkten und zum Teil sind sie auch kaum noch zu unterscheiden. Wird das Potenzial der Verpackung als Auslöser von Impulskäufen am POS überbewertet?
Dr. Robert Kecskes: Nein. Wenn wir über ein Neuprodukt sprechen, dann ist es erstmal wichtig, dass es auffällt und es den Shopper emotional anspricht. Gelingt dies, kommt es zum Impulskauf. Bei etablierten und traditionellen Marken ist hingegen der Wiedererkennungseffekt viel wichtiger. Hier geht es um das schnelle Finden im Regal und dass die Shopper schnell zugreifen können. Neukäufer werden durch die neue Andersartigkeit der Verpackung im Regal neugierig gemacht, Stammkäufer benötigen die bekannte Andersartigkeit, um ihr Produkt schnell zu finden.
 
Welche Funktion übernimmt das Thema Nachhaltigkeit bei der Verpackung?
Dr. Robert Kecskes: Hier spielen zwei Komponenten eine wichtige Rolle – zum einen die Minimierung von Verpackungsmaterial und zum anderen nachhaltiges Verpackungsmaterial. Fast alle Konsumenten begrüssen es, wenn sie weniger Verpackungsmüll entsorgen müssen, denn es entlastet sie. Insofern ist eine Minimierung des Verpackungsmaterials ein wichtiges Argument für den Verkauf. Das nachhaltige Verpackungsmaterial setzt dagegen Grundvertrauen bei den Konsumenten voraus, denn während die Quantität sehr schnell abschätzbar ist, sind die Menschen bei nachhaltigem Verpackungsmaterial auf Marken angewiesen, ihr Wissen darüber, was wirklich nachhaltig ist, ist begrenzt. Müssen sie irgendwann feststellen, dass das Nachhaltigkeitsversprechen der Verpackung gar nicht eingelöst wurde, fällt die Reputation der Marke in den Keller.  
 
Welche Botschaft gilt es hier zu transportieren?
Dr. Robert Kecskes: Für den Shopper muss ganz klar ersichtlich sein, dass es sich hier um eine umweltfreundliche Verpackung handelt. Wenn der Nachhaltigkeitsaspekt nicht sichtbar ist, dann muss dies verbal oder in Schriftform auf der Verpackung kommuniziert werden. Ein einfaches Beispiel: Die Schale von Tiefkühl-Fisch für den Backofen ist in der Regel nicht sichtbar, da sie nochmals verpackt ist. Die Umstellung von Alu auf Pappe muss natürlich kommuniziert werden. Aber dies ist eine Selbstverständlichkeit, also trivial. Spannender ist es bei direkt sicht- oder fühlbaren Umstellungen des Verpackungsmaterials. Muss darauf auf der Verpackung explizit hingewiesen werden? Weniger ist manchmal mehr. Aber es hängt natürlich von der konkreten Änderung und der Kategorie ab.
 
Welche grundlegenden Fehler sollten Hersteller bei der Verpackung möglichst vermeiden? 
Dr. Robert Kecskes: Es ist wie in allen Bereichen des Designs. Die schönste, sinnlichste, emotionalste Verpackung wirkt nur einmal, wenn es bei der Nutzung an Funktionalität fehlt.Es muss Leichtigkeit im Aussehen und der Handhabung erreicht werden, nur eines reicht nicht aus. Ein anderer Fehler ist manchmal bei einem vollständigen Verpackungsrelaunch von bekannten, traditionellen Marken zu beobachten, wenn die Stammkäuferschaft das ihnen vertraute Produkt nicht mehr im Regal findet oder sich vom neuen Design nicht mehr angesprochen fühlt. Dann drohen Käuferverluste, die durch Gewinne von Neukäufern nicht kompensiert werden können. Klar, bei einem Verpackungsrelaunch sind die Stammkäufer immer erst mal verwirrt, daher müssen sie in der Anfangszeit des neuen Designs «an die Hand genommen werden».
 
Welcher Aspekt wird aus Ihrer Sicht in Sachen Verpackung bislang zu wenig berücksichtigt?
Dr. Robert Kecskes: Das ist der ganze Bereich des Mehrwegs – nicht nur im Out-of-Home-Bereich, sondern für den häuslichen Konsum. Wieso gibt es in bestimmten Kategorien keine Pfandsysteme, wo ich doch die Verpackung zurückbringen und dann wieder nutzen könnte? Es ist eine etwas andere Art von Unverpackt. Anstatt meine eigene Verpackung mitzubringen, um die unverpackte Ware einzufüllen, kaufe ich die Produkte in Verpackungen, die ich beim nächsten Kauf wieder mitbringen kann und Pfand zurückerhalte. Also nicht unverpackt, sondern Tausch der Verpackung. Leer zurück, Pfand und mit neuer, schon gefüllter Verpackung wieder raus.
 
Kann ich den Kunden über eine nachhaltige Verpackung gewinnen? 
Dr. Robert Kecskes: Im Jahr 2023 waren 36 Prozent der Haushalte bereit, für eine nachhaltige Verpackung einen höheren Preis zu bezahlen. Das Spannende ist, dass es 2019 noch 46 Prozent waren. Das heisst, die Bereitschaft für nachhaltige Verpackungen einen höheren Preis zu zahlen, ist zwar da, aber sie geht deutlich zurück. Das liegt zum einen an der angespannteren finanziellen Situation vieler Haushalte seit den starken Preiserhöhungen, zum anderen, dies wiegt für die Marken schwer, am Vertrauensverlust. Viele Shopper haben in Fragen der Nachhaltigkeit das Vertrauen in die Marke verloren. Zudem sind die Menschen nicht mehr bereit, für nachhaltigere Produkte allein die höheren Kosten zu tragen. Mehr und mehr verlangen sie von den Marken ebenfalls ihren Beitrag zu leisten und nicht alle Kostensteigerungen durch höhere Preise auf sie abzuwälzen, wenn es um das Allgemeingut Umweltschutz geht. Dies trifft vor allem den Bereich der nachhaltigen Verpackungen, denn die Welt sollen alle retten, nicht nur die Konsumenten, auch die Produzenten. Viele Konsumenten haben inzwischen das Gefühl, allein ihnen werden die Mehrkosten dafür aufgebürdet. 

News

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Vom 24. bis 25. April findet das 125. Markant Handelsforum statt. Zu erwarten sind neben zeitaktuellen Vorträgen und Innovationen für den POS auch ein praxisnaher Austausch.

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Tegut hat das Jahr 2023 mit einem Nettoumsatz von 1,28 Milliarden Euro abgeschlossen und damit das Ergebnis des Vorjahres um 2,44 Prozent übertroffen.

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In Österreich können biologische Lebensmittel trotz allgemeiner Teuerungen auf treue Verbraucher zählen.

Verpackungsgestaltung

1. Grösse festlegen: Verpackung soll aus Kosten- und Umweltgründen das geringstmögliche Packmass haben.
2. Design bestimmen: Die Kernverpackung darf durch einen aussergewöhnlichen Look auffallen. 
3. Haltbarkeit ermitteln: Der sichere Transport ist das A und O, weshalb die Haltbarkeit ein unabdingbares Qualitätsmerkmal optimaler Verpackungen ist.
4. Unboxing Experience beachten: Die Handhabung beim Öffnen muss komfortabel sein. Wenn die Verpackung Neugierde und Vorfreude weckt, soll diese nicht dadurch geschmälert werden, dass der Kunde ein Werkzeug zum Öffnen benötigt.
5. Umweltfreundlichkeit einbeziehen: Praktisch alle Verbraucher achten auf ihren ökologischen Fussabdruck. Ein unnötig in Plastik verpacktes Produkt erzeugt Ärger. GfK Panel Services führte 2009 eine Studie durch, die diesen Aspekt nachwies. Seither hat sich der Trend noch verstärkt.
6. Upcycling einbeziehen: Upcycling bedeutet, dass die Verpackung nach ihrem ursprünglichen Zweck ein neues Leben bekommt.
 
 

Ranking

Schlagworte auf der Verpackung, die die Shopper besonders ansprechen:

1. aus Deutschland (54 %)
2. ohne Konservierungsstoffe (51 %)
3. Verpackung aus recyceltem Material (47 %)
4. frisch (46 %)
5. ohne Farbstoffe (43 %)
6. ohne Zuckerzusatz (44 %)
7. wiederverwendbare Verpackung (38 %)
8. Klimaneutral verpackt (33,67 %)
9. lange haltbar (29,41 %)
10. proteinreich (21 %)

Quelle: POSpulse, Verpackungen am POS, 2021 – Zahlen gerundet

 

Verpackungsmüll

Insgesamt entsteht die grösste Menge an Verpackungsmüll in der EU in Deutschland: 2021 lag der Verpackungsmüll hierzulande bei 19,7 Mio. t. Die zweitgrösste Menge fiel mit 13,6 Mio. t in Italien an. Das waren knapp 230 kg pro Kopf. In Frankreich fielen 13,4 Mio t an, was 198 kg pro Kopf entsprach. Betrachtet man lediglich die pro Kopf-Menge liegt Deutschland (237 kg) EU-weit an zweiter Stelle hinter Irland (246 kg).